Abfall braucht einen Imagewandel!
Vera Schüller hat sich in ihrer Masterarbeit mit dem Thema 'Werbekampagnen zur Aufwertung von Müll am Fallbeispiel Wien' im Bereich Organic Business and Marketing auseinandergesetzt. Vera hat Experten und Expertinnen die Frage gestellt, welches Potential sie in der Durchführung eines soziokulturellen Konzepts zur Imagesteigerung von Siedlungsabfällen durch eine Kommunikationskampagne für Haushalte sehen?
Ein für uns nicht spürbares Problem ist kein Problem?
In unserer aufgeräumten Wohlstandwelt ist den meisten Müll nicht so wichtig. Wir sehen ihn ja nicht. Wenn wir kein Problem sehen, haben wir auch keines? Leider nein. Weltweit haben wir eine rapide Zunahme der Müllproduktion (vor allem Lebensmittel). Wichtige Rohstoffe werden von unserer Generation einfach aufgebraucht. Doch persönlich spüren wir das nicht und daher werden Abfällen kein Wert zugeschrieben. Es gibt ja "noch" genug. Auch ist Abfallwirtschaft kein Thema, dass häufig in der Wiener Öffentlichkeit oder in der Wissenschaft (abgesehen von Ingenieurwissenschaften) diskutiert wird, einem Großteil der Bevölkerung sind die Problematiken nicht bewusst, oder sie verdrängen das Problem.
Abfall ist ein gesellschaftliches Tabu
Es gehört zu uns als modernen Menschen einfach dazu, Abfall in Städten zu meiden, ihn zu ordnen und auf Sauberkeit zu achten. Damit sind wir in Österreich Weltmeister. Nirgends ist es so ordentlich und sauber wie bei uns. Und was ist Abfall eigentlich? Letztlich liegt Abfall im Auge des Betrachters oder der Betrachterin, denn kein Stoff ist per se Abfall. Es sind die dahinterstehenden Werthaltungen, welche einem Gegenstand Wert zusprechen oder eben nicht. Der Wandel von unsere Abfallwirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft, in der die Wertstoffe aus Abfall genutzt werden, erfordert eine Überwindung des gesellschaftlichen Konstrukts 'Müll', denn die Ideologie des Bewahrens ist nicht ausschließlich von wirtschaftlicher Notwendigkeit gesteuert, sondern auch durch kulturelle Normen und Wertvorstellungen bestimmt. Aber wie geht das?
Es braucht Werbekampagne für Müllvermeidung
Werbekampagnen sind in der Lage Wertehaltungen zu beeinflussen. Daher liegt es nahe, dass wir die gleichen Werkzeuge der Propagierung des Konsums (und daher dessen Kehrseite - den Abfall) verwenden sollten, um die Einstellung gegenüber Abfall zu verändern. In Wien haben wir bereits tolle Kampagnen zur Mülltrennung und Vermeidung von Littering. Aber zur Müllvermeidung selbst gibt es noch keine großangelegten Kampagnen. Ziel der Masterarbeit von Vera Schüller ist es herauszufinden wie sich aus Sicht der Experten und Expertinnen mit Hilfe von Werbung gesellschaftliche Maßnahmen zur Abfallreduktion erreicht werden können. Der Arbeit liegt die Leitthese zugrunde, dass den Kulturwissenschaften eine bisher unterschätzte Schlüsselbedeutung zukommt, einen Wertewandel zur Ressource Abfall in der Bevölkerung zu bewirken. Die Masterthesis verknüpft die soziokulturelle Betrachtungsweise von Abfall mit der kommunikativen Praxis der Abfallwirtschaft mit der Forschungsfrage:
"Welches Potential sehen Experten und Expertinnen in der Implikation des soziokulturellen Konzepts der Steigerung des sozial konstruierten Wertes von Siedlungsabfällen durch eine Kampagne in die kommunikative Praxis der Abfallwirtschaft Wiens bei Verbrauchern und Verbraucherinnen?“
Mit Hilfe von qualitativen, leitfadengestützten Interviews mit Experten aus Kultur-, Kommunikations- und Abfallwissenschaften, sprich in Gesprächen mit der MA 48, der ARA, des ÖWAVs, ISWA, Unique und Zero Waste Austria, und dem Soziologen Michael Thompson. Die Experten wurden nach ihrer praktischen Erfahrung und Lösungsstrategien befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass das soziologische Konzept der Wertehaltungen in Bezug auf Abfall bisher kein kommunikativer Schwerpunkt in der Abfallwirtschaft war, abgesehen von vereinzelter Kampagnen, aber laut Experten und Expertinnen definitiv Potential haben, wenn die Kampagne langfristig und intensiv umgesetzt wird und von lösungsorientierten Maßnahmen begleitet wird.
Die ursprüngliche Annahme, dass Abfall als konstruierte Kategorie selbst aufgewertet werden könne, musste leicht modifiziert werden, da laut der Experten und Expertinnen eine Wertsteigerung von Abfall nur über seinen Inhalt, die enthaltenen Rohstoffe, erzielt werden könne. Wie bereits durchgeführte Kampagnen belegen konnten, hängt die Perzeption von Abfall in der Wiener Bevölkerung stark mit seiner Ästhetik, Ordnung und Präsentation zusammen und bestätigt somit die kulturwissenschaftliche Theorie. Einen wesentlichen Beitrag könnte die Wertsteigerung von Abfall als Positionierungsmöglichkeit der Stadt Wien im europäischen Wettstreit nach Standortattraktivität leisten. Durch die Verstärkung der Vorbildrolle Wiens im Umgang mit Abfall ergäbe sich nicht nur eine Wertsteigerung des sozialen Konstrukts von Abfall sondern auch eine Aufpolierung des Images der Stadt. Unter Umständen könnten auf diese Weise auch weitere, bisher fehlende, finanzielle Mittel für Öffentlichkeitsarbeit erhalten werden um mit konkurrierenden Werbebotschaften mithalten zu können, da das Ziel der Bereicherung als wirtschaftlicher Anreiz mehr Aufmerksamkeit erfährt, als ein Schutzziel dies vermag. Die Untersuchung belegte, dass ein künftig höherer Stellenwert der soziokulturellen Theorie in der kommunikativen Praxis der Abfallwirtschaft nicht nur gerechtfertigt sondern sogar wünschenswert wäre, um durch die Symbiose neue Erkenntnisse gezielter umsetzen zu können.
Hier geht es zur kompletten Masterarbeit:
masterthesis_schueller_vera_2017_inkl.anhang.pdf | |
File Size: | 3196 kb |
File Type: |
Dein Browser unterstützt die Anzeige dieses Dokuments nicht. Klicke hier, um das Dokument herunterzuladen.
Die Autorin: Vera Schüller
Weitere Masterarbeiten zu Zero Waste:
Wir legen großen Wert darauf, eine geschlechterneutrale Sprache zu verwenden, um alle Menschen gleichermaßen anzusprechen. Sollte an bestimmten Stellen unserer Webseite dennoch eine geschlechtsspezifische Formulierung auftauchen, bitten wir um Entschuldigung - unsere Website wird laufend überarbeitet. Unser Ziel ist es, eine inklusive Umgebung zu schaffen, in der sich jeder willkommen fühlen kann, unabhängig von Geschlecht oder Identität.
Zero Waste Austria ist offizielles Mitglied bei:
© 2015-2024 Zero Waste Austria Verein zur Schonung von Ressourcen. All rights reserved.